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Bönisch-Mausoleum

Zur Übergabe des Mausoleums

am 9. September 2012 verlas Marion Kutter (Vorsitzende unseres Vereins) diesen von ihr verfassten Brief an Bönisch:

Sehr verehrter, lieber Dr. Johann Gottfried Bönisch,

als ich gestern mit meinem Mann hier am Mausoleum die letzten Vorbereitungen für die heutige Einweihungsfeier getroffen habe, kam mir in den Sinn, Ihnen einen Brief zu schreiben. Auf diese Weise möchte ich im Namen von 80 Mitgliedern des Kamenzer Geschichtsvereins Ihrem Lebenswerk unsere Hochachtung bezeigen.
Sie haben in den vergangenen zwanzig Jahren die Kamenzer Geschichtsfreunde bestens kennen gelernt. Beseitigten Mitglieder doch regelmäßig das undurchdringliche Gestrüpp um Ihre Grabstätte, damit diese sichtbar und im Bewusstsein der Einwohner blieb. Wobei Ihre Person ist niemals vergessen worden. Der Platz, wo Sie einst wohnten, trägt heute Ihren Namen ebenso wie die Schule für geistig Behinderte auf der Neschwitzer Straße – das ist dort, wo zu Ihrer Zeit noch freies Feld war. Denken Sie auch an die vielen Menschen, die zu den Veranstaltungen und Ausstellungen kamen, die wir Ihnen zu Ehren durchführten. Und geben Sie ruhig zu, dass Sie das Hexenfeuer im ehemaligen Stiftsgarten genauso genossen haben wie wir!
Natürlich konnte Ihnen nicht entgehen, dass uns die Sanierung Ihres Mausoleums Schwierigkeiten bereitet hat. Es stockte manchmal gewaltig, der Weg war steinig, es brauchte Geduld und kostete nicht nur Geld, sondern auch Nerven. Wir können es Ihnen heute ja sagen: Wir waren zweimal kurz davor aufzugeben. Das kommt Ihnen bekannt vor, nicht wahr?
Wie haben Sie das damals überhaupt alles geschafft? Sie waren den ganzen Tag als Arzt tätig, haben nach Feierabend Texte und sogar Bücher geschrieben, und dann noch die Finanzierung und den Bau des Krankenhauses organisiert. Ich wage gar nicht zu fragen, wie viel Zeit blieb für Ihre Frau und die Tochter, für die Verwandtschaft und Freunde. Wer waren die Vertrauten und Weggefährten, die Sie ermutigten und trösteten, wenn Ignoranz und Missgunst gegen Ihre Person und Ihr Vorhaben zu Felde zogen?
Sie kennen gewiss die vielen würdigenden Texte, die über Ihre Persönlichkeit und Leistungen geschrieben worden sind. Darin werden Sie als „Wohltäter“, „Menschfreund“, „Literaturliebhaber“, „Kosmopolit“ und „Humanist“ bezeichnet. Aber diese Worte erzählen nur ungenügend über Ihr Inneres und Ihren Charakter. Wissen Sie, was mich am meisten beeindruckt hat? Das waren Ihre Schilderungen von Patientenschicksalen. Was fühlten Sie, wenn Sie ohnmächtig dem Tod das Zepter überlassen mussten? Zum Beispiel während der Napoleonischen Kriege, als Sie in die St. Just-Kirche gerufen wurden, wo viele verwundete Militärs auf dem Steinboden lagen und dort nur ungenügend behandelt werden konnten? Oder die von Nasenkrebs entstellte Beata und der ausgezehrte Seifensieder N., die Sie Ihrem Schicksal überlassen mussten? Ganz schlimm war für Sie die Geschichte mit dem halbwüchsigen Taubstummen, der nicht hätte erfrieren dürfen, stimmts?
Ich denke, dass Ihr Glauben an Gott und Ihr Herz, das für jedes menschliche Wesen schlug, die wichtigsten Antriebskräfte waren. Aber damit allein lässt sich kein Krankenhaus bauen. Zweifellos waren Sie ein kluger Kopf mit einer Menge Erfahrung, als Sie 46-jährig mit dem Großprojekt begannen. Sie hatten als junger Feldhospitalarzt in Österreich viel zu viel Leid gesehen und später als Familienvater durch einen Brand in Bischofswerda Ihre gesamte Existenz verloren. Aber Sie waren auch rumgekommen, konnten sich bilden und reisen, kannten Städte wie Leipzig, Dresden, Wittenberg, Würzburg und das Land Österreich. Was ich Sie bezüglich Wittenberg einmal fragen wollte: Haben Sie dort nur an Ihrer Dissertation über Gebärmutterhalskrebs geschrieben oder blieb noch Zeit, den Spuren von Martin Luther zu folgen?
Mit unserem Kamenzer Pfarrerssohn Gotthold Ephraim Lessing haben Sie sich vermutlich intensiv beschäftigt. War Ihnen damals bewusst, dass Sie der Erste in Deutschland waren, der für den Dichter eine öffentliche Ehrung veranstaltete? War es gar Kalkül, um die Wertigkeit der eigenen Person hervorzuheben, was Ihnen einige Zeitgenossen vorwarfen? Ich kann es mir nicht vorstellen. Es tut mir übrigens aufrichtig leid, Ihnen sagen zu müssen, dass sich die Büste, die Sie damals im Krankenhaus aufstellen ließen, nicht mehr an diesem Ort befindet. Sie musste aus Sicherheitsgründen ins Lessing-Museum verbracht werden. Grund war die Schließung des Barmherzigkeitsstiftes im Jahre 2000. Das neue Krankenhaus ist, wie so viele andere wichtige Institutionen, an den Rand unserer Stadt verlegt worden. Leider kann ich Ihnen gegenwärtig keine Auskunft darüber geben, was aus Ihrem Stift werden wird. Wären z.B. ein Mehrgenerationenhaus, eine Kindereinrichtung oder altersgerechte Wohnungen in Ihrem Sinne? Seien Sie versichert, dass wir für den Erhalt des Gebäudes eintreten werden.
Wie stolz müssen Sie nach drei Jahren gewesen sein, als das „lichtdurchflutete Haus mit 48 hohen Fenstern und Ziegeldach, dessen schmucke Außenfassade sich im davorliegenden Teich spiegelte“, im Beisein einer Vielzahl von Honoratioren und hunderten Gästen eröffnet wurde. Den Teich gibt es zwar nicht mehr, aber im Inneren gelangt man immer noch über die Granittreppe in die ehemaligen Krankenzimmer. Zugegeben wir können nicht mehr genau zuordnen, wo damals das „Irrenstübchen“ und das „Leichenstübchen“ lagen und die zwei Badewannen für die anfangs 15 Patienten standen. Die zwei von Ihnen später angebauten Seitenflügel sind noch erhalten. Von dem 4.000 Quadratmeter großen Stiftsgarten ist jedoch nichts übrig geblieben. Hier wachsen weder Obst und Gemüse für die Krankenkost noch gibt es Wege, wo Genesende spazieren könnten. Ach, es wäre schön, wenn Sie uns einmal genauer vom Besuch des sächsischen Königshauses im Barmherzigkeitsstift erzählen könnten.
Auch wenn das Gebäude gegenwärtig leer steht, müssen Sie nicht traurig sein. Schauen Sie, wie schön Ihr Mausoleum farblich ausgemalt wurde. Das Dach ist dicht, die Fenster sind erneuert, ein Gitter hält Schmutzfinken fern und die Gedenktafel strahlt vorbildlich restauriert. Wenn das umliegende Wäldchen demnächst noch gärtnerisch gestaltet wird, haben Sie wieder einen freien Blick auf den Ort, wo Sie Fieber, Augenkrankheiten, Geschwüre, „Otternstich“, „Fingerwurm“, „Lustseuche“ und „Tobsucht“ kurierten. Sie nahmen alle Personen auf, die an Ihre Tür klopften. Ihre Patienten kamen nicht nur aus Kamenz, sondern der gesamten Oberlausitz, der Meißner Region und aus Brandenburg, wobei sich auch jeweils ein Franzose, Däne und Ungar sowie drei Russen bzw. Polen in den Unterlagen nachweisen lassen. Die Mehrzahl gehörte dem Stand der Dienstboten, Tagelöhner und Landarbeiter an. Was für einen Glauben man angehörte, war egal. Kein Wunder bei einem, der Lessings „Nathan“ kannte und liebte.
Was mich besonders erstaunt hat, war Ihr Ernährungsprogramm. Die Patienten erhielten fünf Mahlzeiten täglich, bestehend aus Hafergrütze, Milch, Zwieback, Fleischbrühe, Gemüse und Obst, Rind- oder Kalbfleisch, Brot und Saft. Heute würden Ihre Ansichten das Prädikat Bio tragen. Ausgenommen wäre der von Ihnen den Genesenden täglich verordnete halbe Liter Bier. Sie geben dem Getränk ein gesundheitsförderndes Zeugnis. Dagegen lässt sich gewiss nichts einwenden, aber in unserem 21. Jahrhundert wird ein solcher Alkoholgenuss etwas kritischer gesehen.
Lieber Dr. Bönisch, Ihr Gesuch an die Stadträte, in dem Sie um Ihr endgültiges „Ruheplätzchen“ gegenüber dem Krankenhaus bitten, hat mich sehr ergriffen. Mit welcher Leidenschaft Sie Mediziner waren! An der erfolgreichen Entwicklung Ihres Krankenhauses konnten Sie sich lediglich fünf Jahre erfreuen. Eine langwierige, schwere Krankheit beendete Ihr Leben mit 52 Jahren. Wir versichern Ihnen, dass wir Ihr Andenken in Zukunft bewahren und an nachfolgende Generationen weitergeben werden.
Aber am Sonntag, dem 9. September 2012, haben wir erst einmal gefeiert. Zwei etwas „krumme“ Anlässe waren der Grund. Zum einen ist es der Abschluss der Sanierungsarbeiten am Mausoleum gewesen – und zwar im 234. Jahr Ihrer Geburt. Zum anderen begeht der Kamenzer Geschichtsverein in diesem Jahr sein 20. Gründungsjubiläum.
Mit Bier von der Brauerei Lieske, Brezeln von der Schaubäckerei Kahre und Gemüse vom Kamenzer Bioladen Kambiola sowie Obst aus Kamenzer Gärten standen auf unserer Festtafel nur gesundheitsfördernde Nahrungsmittel. Was sagen Sie jetzt, Herr Bönisch?
Mit Hochachtung

In neuem Glanz

erstrahlt das Mausoleum. Auch die alte Farbfassung ist an einem Beispiel erhalten. Das Mausoleum bietet jetzt von allen Seiten einen schönen Anblick. Noch sind die Außenanlagen in keinem guten Zustand.
Aber wir geben die Hoffnung nicht auf.
Das Bönisch-Stift 1940
Das Bönisch-Stift 1940

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